Und was hat der noch so drauf?
Ein Beitrag von Andrea Kusel
Das eigentliche Thema dieses Blogs sollte ganz anders lauten. Es sollte um Saatgut gehen, mit dem wir ab sofort unser Sortiment bereichern wollten, um
mit der Lebensmittelversorgung unserer Kunden gewissermaßen an der Wurzel anzusetzen. Doch diese Rechnung hatten wir ohne den Wirt namens deutsche
Gesetzgebung gemacht. Oder ist es eher die deutsche Gesetzgebung, die nicht mit uns Unverpackt-Läden gerechnet hat?
Pioniere …
Um Saatgut lose zu verkaufen, bedarf es in Deutschland einer speziellen Genehmigung. Würden wir einfach kleine Tütchen ungeöffnet an unsere Kunden
weitergeben, wäre das etwas anderes. Warum wir das nicht möchten, erklärt sich von selbst. Für solche Bestimmungen gibt es gewiss gute Gründe. Ich bezweifle, dass einer davon ist,
kleinen Läden mit großen Idealen das Leben schwer zu machen. Die mächtigen Schurken dieser Welt fühlen sich durch uns noch nicht bedroht genug, um mit diabolischem Kichern perfide
Pläne auszuhecken, die unseren Traum von der Küchenkräuter-Autarkie im Keim ersticken sollen. Anscheinend soll die Genehmigungspflicht vielmehr die Saatgutqualität sichern und
unlauteren Wettbewerb verhindern. An harmlose Unverpackt-Ladner, die ihre Kunden befähigen wollen, müllfrei ihren Bio-Gemüsegarten zu bepflanzen, hat bisher wohl schlicht niemand
gedacht.
Dies ist ein wunderbares Beispiel für die Pionierarbeit, die die Unverpackt-Läden heute leisten. Das Bewusstsein, wie dringend unsere Gesellschaft in
Richtung Umweltschutz und Nachhaltigkeit umdenken muss, wächst zusehends. Die Steine auf dem Weg dorthin schrumpfen nicht ganz so schnell. Aber als gute Pioniere bleiben wir natürlich
dran und suchen nach einer Lösung für das Saatgut-Problem.
… die es sich selbst nicht leicht machen
Manchmal sind es auch unsere eigenen Ansprüche, die uns herausfordern. Wir Stückguts wollten von Anfang an nicht nur beim Verkauf auf Einwegverpackungen
verzichten, sondern uns auch für einen möglichst geringen Verpackungsaufwand in Produktion und Anlieferung stark machen. Unser Kaffee ist eines der Paradebeispiele, wie gut das
klappen kann. Er wird uns von El Rojito, einem in Altona ansässigen
Verein, der solidarischen Handel mit Kaffee betreibt mit dem Lastenfahrrad in Pfandeimern geliefert. Die Rösterei selbst erhält
die frischen Kaffeebohnen in Jutesäcken, die für andere Zwecke weiterverwendet werden können.
Null Müll in der gesamten Lieferkette. Neuerdings gibt es sogar einen
El Rojito-Kaffee, der mit dem Segelschiff nach Hamburg importiert wird. Besser geht es fast nicht.
Nicht bei jedem unserer Lieferanten rennen wir derart offene Türen ein. Oftmals braucht es mehr gutes Zureden und manchmal stellt auch die Ware an sich
so spezielle Anforderungen bei der Lieferung, dass für eine verpackungsfreie Lösung viel Kreativität und unzählige Fehlversuche erforderlich sind.
Mehr als nur unverpackt
Als wäre dies noch nicht anspruchsvoll genug, ist die Einsparung von Verpackungsmüll längst nicht mehr unser einziges Kriterium. Je genauer man hinsieht,
desto klarer wird, dass man nicht ein Nachhaltigkeitsmerkmal losgelöst von den anderen behandeln kann. Daher legen wir bei der Produktauswahl auch Wert auf biologische Erzeugung,
Regionalität, Sozialverträglichkeit und fairen Handel. Das ist übrigens auch einer der Gründe für unsere Verkaufspreise. Wir
wählen vorrangig nach den genannten nachhaltigen Qualitäten aus und erst danach vergleichen wir die Einkaufspreise, wenn
überhaupt noch eine Auswahl besteht. Dies unterscheidet uns grundsätzlich davon, wie die meisten Unternehmen üblicherweise wirtschaften.
Die Produkte, die wir anbieten, sollen insgesamt so nachhaltig wie möglich sein, doch es gibt oft nicht
die eine richtige Antwort auf die Frage, welches Produkt das nachhaltigste ist. Obendrein boomt der Markt für nachhaltige Produkte und es treten immer wieder neue Anbieter auf. Daher
wird unser Sortiment laufend überarbeitet und optimiert. Auf der einen Seite freut uns das, auf der anderen Seite macht es die
Produktauswahl und die Entscheidungsfindung komplexer und dadurch schwieriger. Um fundierte Entscheidungen treffen zu können, brauchen wir klare Kriterien und immer öfter auch den Rat von dritter
Seite.
Doch die Vorreiterrolle hat auch ihr Gutes: Durch unsere klaren Prinzipien haben wir Unverpackt-Läden schon so manchen Kopf zum Umdenken anregen und
positive Änderungen beeinflussen können. Das erfüllt uns mit Stolz und gibt Energie für den weiteren Weg.